
Kolumbien
Die verlorene Stadt
Die Wanderung in die Ciudad Perdida sollte eines unserer grössten Abenteuer werden auf unserer Weltreise. Anaïs hatte die glorreiche Idee, auf unserer Rundreise
den Dschungel von Nahem eleben zu wollen. Da Adi und ich schon einige lange Wanderungen gut hinter uns gebracht haben und Nico Anaïs diesen Wunsch wohl nicht verwehren
wollte, sagten wir alle ja. So ging es dann am frühen Morgen los zum Büro des Tourunternehmens. Doch leider musste Adi am noch früheren Morgen noch kurz Bananen kaufen gehen.
Denn ich hatte die ganze Nacht erbrochen und mir ging es wirklich schlecht. Doch ich hoffte darauf, dass nun das schlechte Essen draussen war und ich die vier Tage
irgendwie überstehen würde. Denn alles absagen wollte ich auch nicht...
Im Büro angekommen, lernten wir dann unsere Mitwandernden kennen und es gab frische Früchte. Nico ging es nun auch nicht mehr besonders gut. Sehr wahrscheinlich hatten
wir gestern etwas schlechtes gegessen. Eventuell die selber gemachte Schokolade? Wir alle waren bereits bewaffnet mit Wanderkleidung und Wanderschuhen.
Im Rucksack mit dabei noch zwei Flaschen Rotwein, die wir nie trinken würden. Dazu später aber mehr. Wir wurden dann mit einem kleinen Bus eine Stunde lang gefahren,
bevor wir Auto wechseln mussten. Es ging in einen 4x4. Unsere Taschen waren auf dem Dach. Und sogleich begann die holprige Fahrt. Als ob mir noch nicht schlecht genug
wäre... Wir fuhren über eine nicht befestigte Strasse, durch kleine Flüsse und unzählige Schlaglöcher. Nach mehr als einer Stunde waren wir dann endlich am ersten Ziel
angekommen. In einem kleinen Dorf inmitten vom Nirgendwo. Wir luden unsere Taschen ab und bekamen unser erstes Essen. Reis mit Fleisch. Wie hätte es auch anders sein
können.
Ein letztes Mal noch blickten wir zurück und dann ging es auch schon los. Wir waren eine Gruppe von 15 Leuten von überall auf der Welt, vor allem aber Europa. Dazu
hatten wir drei tolle Guides. Darunter Rodrigo. Rodrigo war bereits etwas älter und immer mit uns zuhinderst untwerwegs. Er läuft die Strecke schon seit mehr als 35
Jahren immer wieder und war einer der ersten, die die verlorene Stadt untersucht hatten. Wir waren also in den besten Händen und wurden immer wieder aufgeheitert von ihm.
Denn schon nach 5 Minuten ging es nur noch bergauf. Und während alle anderen noch mit Energie sprudelten, war ich nach dem ersten Kilometer schon am Ende. Nach einer
kurzen Fütterung der Krähen, oder hier wohl Schlangen, ging es wieder weiter. Und Adi schenkte mir bald darauf ein Gatorade. Das sollte das meistgetrunkene Getränk
bleiben in den nächsten Tagen.
Langsam aber stetig ging es mir dann besser und wir kamen immer näher an unser erstes Basecamp. Irgendwie schafften wir es. Adi und Anaïs trugen je zwei Rucksäcken, da Nico mit mir
leidete. Das Basecamp war ein richtiger Lichtblick. Einerseits freuten wir uns über richtigen Toiletten und die richtigen
Betten. Andererseits hatte es einen kleinen Bach, der zum Abkühlen einlud. Denn der ganze Tag wiederholte Rodrigo die Worte 'Mucho Calor' (viel Hitze). So zogen wir
unsere Badsachen an und folgten Jeremy. Er führte uns zu einem Felsen, welcher etwa 3 Meter über einem kleinen natürlichen Pool lag. Dann sagte er uns wir sollen
die Schuhe hierlassen und dann springen. Aha, dachte ich mir. Springen? Ja, es gebe nur einen Weg ins Wasser. Und wir alle hatten heiss. Gesagt, getan. Ich sprang also und landete
drei Meter tiefer im eiskalten Wasser. Als ich auftauchte, wurde mir bewusst, wie fest wir uns mitten im Dschungel befanden. Um uns war nichts. Nur ein wilder Bach mit Wasserfall
und Grün. Mir ging es endlich langsam besser und wir waren entzückt.
Nach dem Abendessen (Reis mit Fleisch) ging es dann schnell ab ins Bett. Am nächsten Morgen war um fünf Tagwache. Das Bett hatte eine richtige Matratze, eine Decke und
ein Mückennetz. Wir hatten also alles, was wir brauchten. Bis in aller Früh das Licht anging und es hiess: Morgenessen und Wandern! Wir zogen also wieder unsere Wanderschuhe
und neue Kleider an, assen etwas Rührei und Maisbrötchen und schon ging es los. Mir ging es wieder besser. Ich war immer noch langsam unterwegs, aber endlich ohne Schlechtsein.
Auch Nico ging es besser. Leider war es aber wie verhext. Anaïs ging es schlecht. Nun hatte sie Magen-Darm Probleme. Wir konnten unser Pech nicht fassen. Doch auch sie
kämpfte sich durch. Wir alle zuhinderst mit Rodrigo. Aber wir schafften es bis ins zweite Basecamp. Der Weg war unglaublich. Einerseits so schön und eindrücklich mitten
im Dschungel. Andererseits auch nie flach und immer etwas matschig.
In der Mittagspause gab es wieder eine kurze Abkühlung im Bach und zur Ausnahme eine Suppe. Wir waren überglücklich. Am Nachmittag ging es dann weiter und es folgte
der strengste Aufstieg der Wanderung. Für uns alle war der Aufstieg schon unglaublich anstrengend. Doch für Anaïs war der Aufstieg die Hölle. Irgendwann kamen wir aber
alle oben an und es gab wieder ein lang ersehntes Gatorade. Wir wanderten und quälten uns weiter und schafften es irgendwann zum dritten Basecamp. Kurz vorher klagte aber
Adi auch über Bauchschmerzen und mir wurde flau im Magen. Wir waren nun zwei Tageswanderungen, eine Überlandfahrt und zwei Fahrstunden entfernt vom nächsten Spital und
nun ging es uns allen schlecht. Schlechteres Timing hätte es nicht geben können.
Im nächsten Basecamp angekommen ging Adi kurz duschen und kroch vor dem Abendessen ins Bett. Ich weckte ihn kurz für die schöne Überraschung zum Abendessen. Es gab tatsächlich
Spaghetti! Meine Freude war gross. Doch Adi gab nach zwei Gabeln auf und ging wieder schlafen. Während Nico und ich das erste Mal wieder an den Konversationen der anderen
teilnehmen konnten, ging es Anaïs und Adi schlecht. Wir zogen uns also bald zurück und Adi war die ganze Nacht kurz davor, zu erbrechen. Am nächsten Morgen mussten wir uns
also entscheiden. Wanderten wir noch zwei Stunden weiter in die Ciudad Perdida, kehrten wir um oder machten wir eine Pause mitten im Nirgendwo? Die zwei Sturköpfe wollten
nicht aufgeben und so machten wir uns auf zur verlorenen Stadt. Zwei Stunden waren wir noch entfernt. Eine Stunde Wandern am Fluss entlang, eine kurze Fahrt über den Bach und
dann mehr als 1'000 Treppenstufen den Berg hoch. Die Wanderung ging einigermassen gut. Trotz Adi's Bauchkrämpfen. Die Fahrt über den Fluss machte mir dann mehr Angst.
Ein selbst gebautes Holzbrett, mit einem Seil an beiden Seiten. Wir hockten uns zu zweit hinein und die Guides gaben uns einen kräftigen Stoss. So ging es über den Fluss
und auf der anderen Seite nahmen uns die anderen Guides bereits in Empfang. Ich war froh, gut angekommen zu sein. Nun erwarteten uns aber die Treppenstufen.
Nico und ich kämpften uns irgendwie hoch. Wie Adi und Anaïs das ohne jegliche Restenergie geschafft haben, wissen wir bis heute nicht. Aber irgendwann waren wir oben. Und wir betraten
die Ciudad Perdida. So richtig fassen konnten wir das aber nicht. Adi legte sich einfach ins Gras und mir war nicht ganz bewusst, dass wir nun hier waren. Wir setzten uns
und Jeremy begann, die ganze Geschichte der verlorenen Stadt zu erzählen. Ich lauschte mit grossem Interesse und konnte schon verstehen, wieso die Spanier diese
Stadt und deren Gold nie gefunden hatten. Die nächsten zwei Stunden schlenderten wir durch die doch recht grosse Stadt, bzw. den Ruinen. Eindrücklich war vor allem auch,
dass immer noch Einheimische in der Stadt leben. In Strohhütten und Coca Blätter kauend.
Nach einer Pause auf dem höchsten Punkt und einer Kriegsbemalung ging es wieder zurück. Die vielen Treppenstufen wieder nach unten, die Seilbahn wieder zurück und am Fluss
entlang zurück zum Basecamp, wo wir geschlafen hatten. Wir packten unsere Rücksäcke und assen zu Mittag. Und danach ging es schon wieder weiter.
Wir hatten heute nämlich noch viele Kilometer vor uns. Adi ging
es langsam wieder etwas besser. Er hangelte sich von Gatorade zu Gatorade und lief immer weiter. Auch Anaïs lief mit bis ins Ziel. Auch wenn es ihr immer noch nicht besser
ging. Und wir dazu auch die ganze letzte Stunde im strömenden Regen liefen. Es regnete so viel, dass alles innert kürzester Zeit nass war. Die Wanderschuhe waren nach 10 Minuten
gefüllt mit Wasser. Irgendwie erreichten wir aber das Basecamp 2, wo wir am Tag zuvor zu Mittag gegessen hatten. Anaïs ging direkt ins Bett und Adi hatte eigentlich wieder Hunger.
Doch wie immer gab es Reis mit Fleisch. Und so ass er dann trotzdem nicht wirklich viel. Wir konnten uns aber wieder unterhalten. Zumindest bis ich erschreckt wurde. Denn
dank dem Regen wimmelte es unter dem Dach von Insekten. Und so kamen beim Einfall der Dunkelheit auch die Kröten. Und nicht gerade kleine. Sie machten sich auf die Jagd
nach den Insekten. Und nach meinen Füssen. So zumindest meine Angst. Überall hörte man Kröten und sah Kröten. Ich war deshalb sehr froh darum, dass wir heute im zweiten Stock
schliefen.
Und wir konnten endlich wieder eine Nacht schlafen. Uns ging es beiden wieder besser und wir konnten am nächsten Morgen ganz normal frühstücken. Ich freute mich sogar
auf den letzten Abschnitt. Obwohl noch viel vor uns lag und all unsere Kleider und die Wanderschuhe nass waren. So liefen wir dann um 6 Uhr zu dritt los. Anaïs hatte sich
entschieden, das Maultier und Motorrad zurück zu nehmen. Sie schlief wieder kaum und hatte kaum noch Energie. Wir alle vier freuten uns auf das Ziel. So wanderten wir also
immer weiter. Schritt für Schritt ging es gefühlt vor allem bergauf. Und bergab. Zumindest nie geradeaus. Und das ganze ständig mit 'Mucho Calor'. Wir liefen fast aus.
Denn der Regen vom Vortag hinterliess eine schwüle und feuchte Hitze. Und trotzdem schafften wir es irgendwie sogar, mal am Anfang der Gruppe mitzulaufen.
Denn so langsam wurde es für alle anstrengend. Es gab einen kurzen Zwischenstopp im Basecamp 1, wo wir die erste Nacht verbracht hatten. Für uns alle war das eine Ewigkeit her.
Und wir waren so froh, 'nur' noch die letzte Strecke laufen zu müssen.
Es ging dann also weiter bergauf. Bis wir bei der Motorradgarage ankamen. Anaïs wechselte vom Maultier auf das Motorrad und für uns ging es nur noch nach unten. Auf etwas
breiteren Wegen. Doch so sehr wir uns eigentlich über das nach unten laufen freuten, so sehr schmerzten auch unsere Füsse langsam. Vor allem weil sie immer noch durchnässt
waren. Ganz langsam und immer mit Rodrigos Lachen im Rücken schafften wir es irgendwie. Langsam kamen uns Gruppen entgegen, die eben erst gestartet waren. Und wir wünschten
ihnen etwas hämisch viel Glück für die nächsten vier Tage. Wir liefen immer weiter bis wir endlich die Zivilisation erreichten. Zumindest für uns in diesem Zustand. Wir sahen die ersten
Häuser und erreichten dann bald das Restaurant. Völlig erschöpft kamen wir an und entledigten uns zuerst von unseren Schuhen und wechselten zu den FlipFops. Den Gestank
wollen wir uns nicht mehr vorstellen. Wir genossen das letzte Mittagessen fast. Denn es gab wieder Reis mit Fleisch. Aber wir waren vor allem froh. Froh, dass wir die Wanderung
überstanden hatten, dass Anaïs wieder lächeln konnte, dass wir alle gesund waren. Und dass wir um so viele Erlebnisse und Eindrücke reicher waren.
Vier Tage ohne jeglichen Luxus mit so tollen Guides, die uns immer unterstützen. Wir waren stolz und glücklich. Und freuten uns unendlich fest. Auf eine warme Dusche, ein kühles
Zimmer, ein bequemes Bett, keine Mücken und einen Teller mit selbst gewähltem Essen. All das lag nun vor uns. Unsere Freude war riesig!

Lena Gisiger
23.07.2022

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