
Peru
Menschengemachte Inseln
Wie so oft auf unseren Reisen sah am nächsten Tag alles ein bisschen besser aus. Wir wachten auf und die Sonne schien uns durchs Fenster aufs Gesicht. Als
wir aber unter der Decke hervorschlüpften war es doch wieder etwas kalt im Zimmer. Denn draussen war es hier sogar noch kälter als in Puno. So schlüpften wir so
schnell wie möglich in unsere Kleider. Zuerst zog ich mein T-Shirt an, dann meinen normalen roten Pulli, dann meinen neuen Alpaka Pullover, welchen ich in meine
Hose stopfte und darüber noch meine Regenjacke. Zugepackt begaben wir uns in den Speisesaal des Hotels. Dieser war natürlich nach oben offen und so herrschte
hier eisige Kälte.
Zur Aufwärmung bekamen wir ein Tee mit frischen Blättern - Koka Blätter. Ich musste natürlich noch etwas Zucker dazu geben. Wir tranken den Tee und genossen die
heisse Tasse und das wärmende Getränk. Und tatsächlich tranken wir schon wieder Tee der Koka Pflanze, aus welcher Kokain hergestellt wird. Ich musste jetzt noch
etwas mehr über diese Blätter erfahren und öffnete den entsprechenden Wikipedia Artikel. Die Einfuhr und der Besitz von
Kokablättern ist in der Schweiz strafbar, da sie unter das Betäubungsmittelgesetz fallen. Und hier tranken wir gerade einen Tee damit. In Peru ist es tatsächlich so,
dass Kokablätter tief in der Tradition dieses Landes verankert sind. Der Anbau und Verkauf wird sogar staatlich gefördert. Die Blätter helfen den Menschen auch, sich
besser an die Höhe zu gewöhnen, da sie den Blutkreislauf anregen. Die Menschen hier machen allerlei aus den Blättern. Tee, Bonbons und allerlei anderes. Von den
Einheimischen werden die Blätter aber meistens roh gekaut. Die Blätter selber beinhalten aber keine süchtigmachenden Stoffe. Wieder etwas schlauer trank ich meinen
Tee dann auch genüsslich zu Ende. Denn er war wirklich lecker.
Lou hatte am Abend davor im Restaurant noch einen Tagesausflug für den heutigen Tag organisiert. So wurden wir dann auch vor dem Hotel abgeholt. Leider hatten wir
nicht mehr genügend Bargeld, um die Tour zu bezahlen. Die Führerin sagte, dass sei jedoch kein Problem. Wir können auch nach der Tour bezahlen. So folgten wir
der Führerin nach draussen in die sonnige Stadt. Wir folgten ihr einige Meter und konnten dann schon bald in den Bus einsteigen. Aber auch dieser war eiskalt und so
schlotterten ich und Lena schon bald. Lou fragte uns, wie wir so kalt haben können. Wir kämen doch aus der Schweiz, da seien wir uns doch solche Temperaturen gewöhnt.
Wir erklärten ihr, dass es in der Schweiz schon kalt werden könne. Aber dass man sehr selten dieser Kälte ausgesetzt ist. Unsere Häuser werden nicht nur geheizt, sie
haben auch keine Löcher durch die es zieht. Sobald man draussen ist, sitzt man entweder in einem geheizten Bus oder in einem geheizten Auto. Die Läden, die Restaurants
und zum Teil sogar die Bahnhöfe sind warm. Es gibt überall Möglichkeiten sich aufzuwärmen. Nicht so hier. Hier ist alles kalt. Und löchrig.
Der Bus fuhr los und nach ungefähr 10 Minuten erreichten wir das Dock. Wir folgten unserer Führerin und bestiegen ein Schiff auf dem berühmten Titicaca See.
Nachdem wir Platz nahmen, kam ein Peruaner mit einer alten Gitarre. Er spielte uns ein paar spanische Lieder vor und hoffte anschliessend auf etwas Trinkgeld. Anschliessend
fuhr das Schiff los. Inzwischen wurde die Führerin durch einen Führer abgelöst, welcher uns etwas zu unserem ersten Ziel erzählte. Uros hiess es. Es ist ein Dorf, welches
sich auf dem Titicacasee befindet. Aber nicht auf irgendwelchen Inseln, sondern auf selbstgebauten Flossen aus Schilf. Ich konnte meinen Ohren nicht ganz trauen als ich
das hörte. Und so wartete ich gespannt, was passieren würde. Nach ungefähr 20 Minuten Fahrt durch hohes grünes Schilf erreichten wir eine kleine Insel. Auf der war in
farbigen Buchstaben der Name Uros geschrieben. Die Insel war tatsächlich aus dem Schilf gebaut, das wir gerade durchfahren haben. Es sah etwas aus wie Stroh. Auf der
Insel stand ein Haus, ebenfalls komplett aus Schilf gebaut. Unser Führer erklärte uns, dass Uros mehr als 2000 Einwohner hat und aus mehr als 400 kleinen Flossinseln
besteht. Keine grösser als 20 Quadratmeter. Er erklärte uns auch, dass er nun kurz auf diese kleine Insel müsse, um die lokalen Behörden um Erlaubnis zu bitten, zu den
Inseln fahren zu dürfen. Als er zurückkam erklärte er uns, dass alle Touristenboote eine Insel zugeteilt bekommen, die sie besuchen dürfen. So machten wir uns auf den
Weg zur Insel, die uns zugeteilt wurde. Die Einwohner*innen der Insel begrüssten uns dann auch schon freudig, als wir da ankamen. Die Insel beheimatete 2 Familien an ungefähr
5 Leuten. Wir stiegen aus unserem Boot und setzten unsere Füsse auf die Insel. Wir bemerkten, wie die Insel etwas nachgab als wir unsere Füsse darauf setzten. Unter uns
war nichts anderes als Schilf und Wasser. Wir wurden alle zu einem kleinen Platz geführt, wo aus Schilf kleine Bänke gebaut wurden. Wir setzten uns darauf und schon bald begann
unser Führer gemeinsam mit einem Einheimischen uns zu erklären, wie die Inseln hier gebaut wurden. Sie erzählten uns etwas über das Leben auf den Inseln und wir erfuhren
sogar, dass die Insel bis vor Corona doppelt so gross war. Leider hatten die Einheimischen Streit mit ihren Nachbarn. So entschieden sie sich, die Insel mit einer Säge
zwei zu teilen und umzuziehen. Auf der Insel gab es 4 kleine Schilfhäuschen und ein Haus aus Metall. Uns wurde erklärt, dass vor 20 Jahren die Regierung beschloss, auf
jeder Insel ein kleines Häuschen hinzustellen mit fliessendem Wasser, Toilette und warmer Dusche. Aufgrund von Korruption konnte in den Häuschen nur die Toiletten fertig
gestellt werden, der Rest funktioniert nicht. Doch das sei kein Problem, wie sie uns mitteilten. Wir durften dann auch noch ein Haus besichtigen gehen. Die Häuser sind etwas
höher gebaut, um dem schwankenden Wasserspiegel zu entkommen. Auf dem Häuschen befand sich eine Solaranlage. Darin nichts anderes als eine Matratze aus Schilf und einige
persönlcihe Gegenstände. Die meisten waren selber hergestellt. Das Häuschen war nicht grösser als 2 x 1 Meter. Als wir alles gesehen hatten, haben die Einheimischen noch
Souvenirs ausgepackt, die wir kaufen konnten. Lena musste sich schon etwas zusammenreissen, nichts zu kaufen. Lou hingegen konnte nicht widerstehen. Anschliessend wurden
wir auf ein selbstgebautes Schiff eingeladen, mit welchem wir auf eine weitere Insel fahren durften. Das selbstgebaute Schiff bestand nur aus Schilf und wurde von den
Einheimischen liebevoll Mercedes genannt. Da noch ein kleines Häuschen darauf stand. Die einfachen Schiffe ohne Häuschen heissen Toyota. Das Schiff hatte natürlich keinen
Motor und so ruderten die Menschen der Insel uns mit dem Boot zur nächsten Insel. Auf dieser gab es noch weitere Souvenirverkäufer und ein kleines Restaurant. Nach gut
20 Minuten ging es dann wieder zurück auf unser richtiges Boot.
Wir fuhren anschliessend mit dem Boot ungefähr 2 Stunden auf eine richtige Insel in der Mitte des Sees. Nach gut 10 Minuten war Lena und Lou bereits eingeschlafen. Und
so musste ich diese Schifffahrt ohne sie verbringen und langweilte mich beinahe zu Tode. Wenigstens schien die Sonne. Der See ist riesig. Es ist einer der grössten Seen,
die ich jemals gesehen habe. Auf der anderen Seite des Sees befand sich Bolivien. Nach zwei Stunden kamen wir dann auch auf der zweiten Insel an. Gemeinsam mit der
verschlafenen Lena und Lou betraten wir die Insel. Inzwischen war es auch wieder einigermassen warm geworden. Wir folgten unserem Führer auf einen Platz im höher gelegenen
Teil der Insel. Da kamen wiederum Bewohner*innen der Insel zu uns, welche uns etwas zu ihrer Kultur erzählten. So etwa begrüssen sie sich, in dem sie sich gegenseitig Kokablätter
schenken. Alle Menschen auf der Insel tragen eine Mütze (Kein Wunder bei diesen Temperaturen). Wenn die Mütze halbweiss ist, ist die Person noch Single, ansonsten verheiratet.
Anschliessend führten die Menschen noch einen Tanz auf für uns. Ein Junge fiel uns besonders auf. Er war etwas jünger als wir und hatte ein Problem mit seinem Bein. Er war auch
der Einzige, welcher eine halb weisse Mütze trug. Wir bekamen etwas Mitleid mit dem Jungen und uns wurde bewusst, dass die Menschen hier nicht viel mitbestimmen können. Es gibt
keine Möglichkeit, zu entfliehen und der grösste Teil des Lebens wird durch Traditionen bestimmt. Es stimmte uns nachdenklich und so sprachen wir nicht mehr viel, bis wir beim
Ort für das Mitagessen angekommen waren. Dort gab es Fisch, Reis und Aji. Eine typische Sauce aus Peru. Das Essen war lecker und wir tankten etwas Energie an der nun warmen Sonne.
Nach dem Essen ging es wieder zurück. Diesmal schliefen Lena und Lou nicht mehr ein und wir verbrachten praktisch die ganze Rückfahrt auf dem Dach des Boots.
Zurück in Puno kehrten wir zurück in unser Hotel und ruhten uns ein wenig aus. Pünklich um 6 Uhr trafen wir uns dann wieder in der Hotellobby. Lena hatte heute ein Restaurant
ausgesucht. Dreimal dürft ihr raten, was für ein Restaurant wir aufsuchten. Natürlich ein Sushi Restaurant. Wir traten ein, wurden freundlich begrüsst und genossen das leckere
Essen. Nach den letzten Tagen peruanischem Essen hatten wir uns wirklich auf etwas anderes gefreut. Nach dem Essen suchten wir noch eine kleine Bar auf. Wir bestellten
3 Pisco Sours, das Nationalgetränk von Peru und versanken schon bald in tiefen Gesprächen. Wir vergassen die Zeit während wir uns mit jemandem austauschten, der aus einem völlig
anderen Teil der Welt kommt und zum Teil mit völlig anderen, zum Teil aber auch mit völlig gleichen Problemen herumkämpft wie wir auch.

Adrian Kölliker
21.06.2022

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